IN EIGENER REGIE

Mit Wirkung vom 31. Dezember 1919 wurde der Betriebsführungsvertrag mit der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG gelöst. Am 1. Januar 1920 übernahm der Landkreis Hattingen die Betriebsführung der Hattinger Kreisbahnen in eigener Regie.

Gut ein Jahr nach der Übernahme der Betriebsführung, am 23. April 1921, verlängerten die Aufsichtsbehörden die Konzession für den Straßenbahnbetrieb um weitere 31 Jahre.

KURZER AUFSCHWUNG

Für kurze Zeit ging es bergauf – bis die Inflation einsetzte. Das Verkehrsaufkommen der Hattinger Kreisbahnen ging daraufhin drastisch zurück. Am 10. Dezember 1922 musste der Betrieb eingestellt werden.

Wie schwierig die Situation war, zeigt die Chronik des Jahres 1923: Im März besetzen französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet, um die im Versailler Vertrag festgelegten Reparationsleistungen in Form von Stahl, Holz und Kohle durchzusetzen. Am 5. Mai konnten die Kreisbahnen mit finanzieller Unterstützung des Deutschen Reiches wieder fahren. Vom 11. bis zum 17. Oktober ruhte der Betrieb erneut. Am 24. Oktober folgte die dritte Betriebseinstellung innerhalb eines Jahres.

Erst im Juni 1924, nach der Stabilisierung der allgemeinen Wirtschaftslage und nach der Beendigung der Besatzung des Ruhrgebietes, konnte wieder ein ordentlicher Linienbetrieb mit verlässlichen Fahrzeiten aufgenommen werden.

ZWEIGLEISIGER AUSBAU DER HEGGERSTRASSE

Um in der Hattinger Innenstadt einen flüssigeren Verkehrsablauf zu gewährleisten, wurde die Ausweiche in der Hüttenstraße im Mai 1928 über die obere Heggerstraße um 234 Meter in Richtung Roonstraße verlängert.

An dieser Stelle entstand Mitte der 1920er-Jahre anlässlich eines Umzugs der Hattinger Handwerksinnungen das Beitragsbild dieses Kapitels (Sammlung Stadtarchiv Hattingen). Der auf der Linie I eingesetzte Triebwagen 4 der Kreisbahnen muss den Abschluss des Umzuges abwarten, bevor er seine Fahrt nach Blankenstein-Markt fortsetzen kann.

KONFLIKTE MIT DEM STRASSENVERKEHR

Einen Vorschlag der Stadtverordneten, die Blankensteiner Linie über den Endpunkt am Bahnhofshotel Eichholz („Krampen“) bis zum Hattinger Bahnhof fahren zu lassen, lehnte die Betriebsleitung der Hattinger Kreisbahnen ab.

Eine Endstelle am Bahnhof hätte durchaus Vorteile gehabt. Der Übergang zur Eisenbahn wäre für die Fahrgäste der Kreisbahnen komfortabler geworden. Darüber hinaus hätte man die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer in der Bahnhofstraße erhöht: Mit der Zunahme des Individualverkehrs wurde das „Umrüsten“ der Triebwagen am Straßenrand für das Personal gefährlich. Dies insbesondere dann, wenn die Fahrer oder die Schaffner zum Umlegen der Schleifbügel über die Straße laufen mussten.

Das nachfolgende Postkartenmotiv wurde an der Endstelle in der Bahnhofstraße aufgenommen. Es zeigt einen Triebwagen der Kreisbahnen auf der Linie I (Verlag Hermann Lorch, Dortmund – Sammlung Hans-Dieter Pöppe). Rechts neben dem Straßenbahnwagen sehen wir das Haltestellenschild der Kreisbahnen. Die Haltestelle der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG befand sich hinter der Weiche. Das an der Fahrleitung befestigte Haltestellenschild ist links in der oberen Bildhälfte zu erkennen.