Die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG (BOGESTRA) ist bis heute in Hattingen unterwegs. Ihr Wagenpark war über viele Jahrzehnte der vielfältigste in Hattingen.
WEYER-WAGEN
Die relativ späte Eröffnung der ersten Straßenbahnstrecke in Hattingen – in Bochum wurde die erste Linie bereits im November 1894 durch Siemens & Halske in Betrieb genommen – brachte es mit sich, dass die anfangs in Bochum eingesetzten Siemens-Triebwagen mit offenen Plattformen in Hattingen nicht zum Einsatz kamen.
In Hattingen begann das Straßenbahnzeitalter mit den in den Jahren 1900 und 1901 von der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen in großen Stückzahl beschafften „Weyer-Wagen“ (Triebwagen 58 und 59, 76 bis 102 und 120 bis 150). Ihr Hersteller war die Waggonfabrik Weyer & Cie. in Düsseldorf. Die eleganten Fahrzeuge hatten bereits geschlossene Führerstände. Das war zu der damaligen Zeit für die Arbeitsbedingungen der Straßenbahnfahrer ein großer Fortschritt.
Zu den Triebwagen gab es auch passende Beiwagen (Beiwagen 251 bis 266, 296 und 297). Anders als bei den Triebwagen blieben die Plattformen bei den Anhängern offen. Ob die Beiwagen auch in Hattingen eingesetzt wurden, konnte bislang nicht geklärt werden. Zeitgenössische Fotos, die einen frühen Beiwagenbetrieb in Hattingen belegen könnten, sind bislang in den Archiven und Sammlungen nicht aufgetaucht.
Das Beitragsbild (Siemens Historical Institute) zeigt den 1901 von Weyer & Co. gelieferten Triebwagen 145 auf freier Strecke. Aufgenommen wurde das Foto vermutlich vis-à-vis vom Straßenbahnbetriebshof Weitmar, wo die letzten Wagen der Serie stationiert worden waren.
VERSTÄRKUNG
1905 wurde im Bochumer Netz der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen die Neubaustrecke nach Wiemelhausen eröffnet. Zugleich stellte sich heraus, dass eine Erhöhung der Kapazität auf der Strecke von Bochum nach Hattingen, auf der 1907 bereits 2.331.254 Fahrgäste befördert wurden, dringend notwendig sein würde.
Vor diesem Hintergrund platzierte die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG bei der Waggonfabrik Weyer & Cie. eine weitere Bestellung nach dem Baumuster der bewährten Triebwagen aus den Jahren 1900 und 1901.
1908 wurden die 13 Neubaufahrzeuge unter den Nummern 151 bis 163 ausgeliefert. Sie kamen in den folgenden Jahren bevorzugt auf den Linien 2 (Herne – Bochum / Hattingen) und 8 (Herne – Hattingen) zum Einsatz. Von der ersten Serie unterschieden sich die neuen Wagen vor allem durch die geänderte Fensterteilung.
Das nachfolgende Bild, eine Ausschnittvergrößerung einer vermutlich in der Fahrplanperiode 1912/13 entstandenen Postkarte zeigt Triebwagen 156 in der Hattinger Bahnhofstraße (Verlag Wilhelm Fülle, Barmen (Ausschnitt) – Sammlung Hans-Dieter Pöppe).
STANDARDWAGEN
In den Jahren 1912 und 1913 kam eine große Serie von Trieb- und Beiwagen bei der BOGESTRA in Fahrt. 45 Fahrzeuge wurden in drei Serien von der A.-G. Düsseldorfer Eisenbahnbedarf (vorm. Weyer & Co.) geliefert: 1912 die Triebwagen 170 bis 184, 1913 die Triebwagen 222 bis 241 sowie ebenfalls 1913 die für die Hattinger Kreisbahnen bestimmten Triebwagen 242 bis 251. 25 Fahrzeuge lieferte die Waggonfabrik Uerdingen: 1912 die Triebwagen 185 bis 199 sowie 1913 die Triebwagen 200 bis 209. Ergänzend wurden in zwei Bauserien auch passende Beiwagen beschafft. Die Waggonfabrik Uerdingen lieferte 1911/12 die Beiwagen 350 bis 373, die Dortmunder Union, eine Abteilung der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten Aktiengesellschaft, 1912 die Beiwagen 374 bis 383.
Vier Jahre später stieg die Dortmunder Union auch in die Herstellung der Triebwagen ein. 1916 wurden in Dortmund die Triebwagen 210 bis 221 gebaut. Zuvor hatte die „Union“ bereits Einzelteile für die Fahrwerke der von Weyer und Uerdingen gebauten Triebwagen zugeliefert.
Ab 1922 fertigte dann die Mainzer Waggonfabrik Gastell als neuer Geschäftspartner der BOGESTRA die Triebwagen 252 bis 267 (1922: 252 bis 256, 1924: 257 bis 264 und 1925: 265 bis 267) sowie 1926 die Triebwagen 501 bis 530. Der bereits 1924 hergestellte Triebwagen 261 war für einige Monate in Wiesbaden als Probewagen im Einsatz. Er wurde deshalb erst 1925 an die BOGESTRA ausgeliefert. Die 1924 zu den Triebwagen von der Waggonfabrik Gastell gelieferten Beiwagen (Beiwagen 272 bis 320) unterschieden sich von ihren Vorgängern durch einen dreifenstrigen Wagenkasten.
GASTELL-WAGEN
In den Jahren 1927 und 1928 wurde der Wagenpark ein weiteres Mal um neue und moderne Fahrzeuge ergänzt. Die Zusammenarbeit mit der Mainzer Waggonfabrik Gastell hatte sich inzwischen sowohl bei der BOGESTRA als auch bei der mit ihr eng verbundenen Essener Straßenbahn bewährt. Die als „Gastell-Wagen“ bezeichneten Triebwagen unterschieden sich von ihren Vorgängern insbesondere durch den längeren Wagenkasten mit verjüngten Fronten. Auch die elektrische Ausrüstung wurde verbessert. Die Triebwagen erhielten die Betriebsnummern 531 bis 546. Die Beiwagen wurden unter den Betriebsnummern 384 bis 393 sowie 416 bis 435 in den Wagenpark eingeordnet. Die erste Stammstrecke der Gastell-Wagen war ab dem 1. Juli 1928 die Linie 8 zwischen Recklinghausen und Hattingen.
CREDE-WAGEN
1942 wurde die letzte Vorkriegs-Fahrzeugserie von der Waggonfabrik Credé an die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG ausgeliefert (Triebwagen 550 bis 559). Die neuen Wagen wurden auf den besonders prestigesträchtigen Linien eingesetzt, darunter auf der Linie 8 zwischen Herne und Hattingen sowie auf der Linie 2 und der Schnellverkehrslinie 22 zwischen Bochum und Gelsenkirchen.
Drei weitere bauartgleiche Triebwagen und einige „Reservefahrgestelle“ lieferte Credé aufgrund der Kriegsereignisse 1949 nach (Triebwagen 92 bis 94).
FUCHS-WAGEN
Um nach dem Kriegsende den dringend benötigten Fahrzeugbedarf zu decken, beschaffte die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG bei der Waggonfabrik Fuchs in Heidelberg die sogenannten Kriegsstraßenbahnwagen (KSW – Triebwagen 95 bis 109, Beiwagen 300 bis 336). Die letzten Triebwagen der aus einfachen Materialien hergestellten und nur wenig Komfort bietenden Fahrzeuge blieben trotz der harten Holzsitze und der unfallträchtigen Schiebetüren bis 1976 als Einsatzwagen im Bestand.
AUFBAUWAGEN
Den „Fuchs-Wagen“ folgten 1948/49 die sogenannten „Aufbauwagen“. Die Benennung bezog sich darauf, dass die Hersteller – die Düsseldorfer Waggonfabrik Düwag und die Westdeutschen Waggonfabriken in Köln (Westwaggon) – für diesen Wagentyp noch brauchbare Teile von im Krieg beschädigen Fahrzeugen verwendeten.
Bei der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG wurden die neuen Wagenkästen auf Gastell- und Credé-Fahrgestelle aufgesetzt. Die 13 Triebwagen (Triebwagen 110 bis 122) wurden vor allem im Bochumer Netz eingesetzt, gerne auch auf der Linie 8.