HÜTTENSTRASSE

Neben der 1914 bereits konkret geplanten Strecke nach Stiepel sollte die Blankensteiner Strecke über Steinenhaus / Haus Kemnade bis Herbede geführt werden. Dort plante man einen Anschluss an das Wittener Streckennetz der Westfälischen Straßenbahn GmbH.

Ein weiteres Projekt der Hattinger Kreisbahnen war die Fortführung der Stiepeler Strecke über die Kemnader Straße zum Steinenhaus mit der Option eines Ringverkehrs. Für dieses Projekt wurden beim Neubau der Kemnader Brücke in den Jahren 1926 bis 1928 rund 300 Meter Gleis in die Brückenfahrbahn gelegt. Die am 18. Juni 1928 fertiggestellte Brücke wurde gegen Ende des Zweiten Weltkriegs von deutschen Truppen gesprengt. Beim Wiederaufbau im Jahr 1949 war das Straßenbahnprojekt kein Thema.

GROSSZÜGIGE PLANUNG

Entsprechend großzügig wurde geplant und gebaut. Das betraf vor allem den Betriebshof der Hattinger Kreisbahnen an der Hüttenstraße.

Die Gebäude wurde von Carl Pinnekamp (1872 – 1955) entworfen. Der Bochumer Architekt hatte sich mit Entwürfen für Sakralbauten und Villen, aber auch mit der Gestaltung von Industrie- und Siedlungsbauten über die Grenzen von Bochum hinaus ein beachtenswertes Renommee erarbeitet.

Anfang 1913 erhielt er den Auftrag zur Gestaltung des Hattinger Betriebshofes. Dieser sollte auf einem Grundstück, dem die Hausnummer „Hüttenstraße 21“ zugeordnet wurde, errichtet werden. Bis auf eine schmale Parzelle an der Hüttenstraße lag die Fläche hinter der seit 1906 errichteten Wohnbebauung.

Am 15. Oktober 1913 stellte der Architekt die hier als Beitragsbild verwendete Zeichnung für die Straßenansicht des Betriebshofes fertig (Stadtarchiv Hattingen). Die Fassade aus „auf holländische Art“ weiß verfugten Ringofensteinen passte sich dem Radius des Einfahrtgleises an.

Bereits am 27. Oktober 1913 wurden die Pläne für das Verwaltungsgebäude durch das Hattinger Stadtbauamt geprüft und genehmigt. Dennoch musste die Straßenbahn im letzten Moment den Plan für das Verwaltungsgebäude ändern: Mit Rücksicht auf ein benachbartes, dreistöckiges Mehrfamilienhaus, dessen Pläne erst am 11. November genehmigt wurden, musste Carl Pinnekamp auf das architektonisch wertvolle Walmdach mit zentraler Uhr verzichten.

  • Lageplan des Betriebshofes mit der Wagenhalle, der Werkstatt und dem Maschinenhaus.
    Stadtarchiv Hattingen - Akte 118-19-25

WAGENHALLE, WERKSTATT UND MASCHINENHAUS

In das Grundstück hinter den Wohngebäuden an der Hüttenstraße wurden die mit einer Gleisharfe erschlossene Werkstatt- und Wagenhalle und das Maschinenhaus eingepasst: Um die Fläche optimal auszunutzen, war es notwendig, die Rückwand der Gebäude an die schräg verlaufende Grundstücksgrenze anzupassen.

Für die Fassaden der Betriebsgebäude sah der Architekt ein mit Ziegeln ausgemauertes Eisenfachwerk vor. Das Dach wurde freitragend mit Segmentbögen realisiert. Großzügig bemessene Oberlichter sorgten für eine gute Ausleuchtung. Für die Sichtseiten der Hallen wurden Klinker verwendet. Die repräsentative Front mit den Einfahrtstoren und zwei Dreiecksgiebeln wurde wie beim Verwaltungsgebäude als Klinkerfassade mit neoklassischen Stilelementen ausgeführt.

Die nördlich angeordnete Wagenhalle hatte eine Grundfläche von 49 x 14,2 Metern. Vier Aufstellgleise, von denen die südlichen drei Gleise mit Untersuchungsgruben ausgestattet waren, ermöglichten die Abstellung von 20 zweiachsigen Straßenbahnwagen.

Die südliche Werkstatthalle mit einer Grundfläche von 27 x 17 Metern erhielt zwei in einer Tiefe von 1,75 Meter unterkellerte Wartungsgleise sowie ein drittes, nur mit einer flachen Grube ausgestattetes Gleis für Reparaturen an den Wagenkästen. In der Halle wurden Werkstatträume und Magazine, eine Lackiererei, eine Schreinerei, eine Schmiedstelle sowie Aufenthaltsräume untergebracht. Ein für die damalige Zeit bemerkenswertes Detail waren getrennte Waschräume für Männer und für Frauen.

Der Plan für das am Rand des Geländes vorgesehene Maschinenhaus mit Umformerstation wurde am 10. Februar 1914 vorgelegt und am 14. März 1914 genehmigt. In der Umformstation waren zwei Einanker-Umformer mit jeweils 500 Kilowatt Leistung installiert. Sie transformierten Drehstrom aus dem Fernleitungsnetz in den von der Straßenbahn benötigten Gleichstrom mit einer Spannung von 600 Volt.

Nach den lokalen Stellen erteilte am 3. April 1914 auch die Aufsichtsbehörde in Arnsberg ihre Zustimmung zum Bau des Betriebshofes. Die Lage der Anlage im Kontext der umgebenden Wohnbebauung kann man gut auf dem im nachfolgenden Slider enthaltenen Luftbild aus den 1920er-Jahren erkennen (© RVR – 1925-1930 – dl-de/by-2-0).

  • Die Hüttenstraße: Auf Augenhöhe: mit den Hochöfen der Henrichshütte.
    Verlag Max Biegel, Elberfeld - Sammlung Ludwig Schönefeld

NACHNUTZUNG ALS OMNIBUSDEPOT

Der Betriebshof wurde bis 1932 als Straßenbahndepot genutzt. Nach der Betriebsübergabe an die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG wurden die Gebäude noch einige Zeit von der Kraftwagengesellschaft Ruhr-Wupper mbH als Wagenhalle für Omnibusse genutzt.

Nach aktuellem Wissensstand wurde der Betriebshof noch vor den Bombardements des Zweiten Weltkrieges endgültig geschlossen. Im Mai 1947 wurden die durch Bombentreffer zerstörten Hallen abgebrochen, um auf dem großzügigen Grundstück der Wagenhallen neue Wohnbauten zu erstellen. Diese Situation dokumentiert das nachfolgende Foto eines unbekannten Fotografen aus der Sammlung des Hattinger Ortsheimatpflegers Lars Friedrich.

Die Wohnsiedlung „Am Einbäumchen“ wurde Anfang der 1950er-Jahre fertiggestellt. Ein möglicherweise bei der Eröffnung des Betriebshofes auf einem Beet neben der südlichen Halle gepflanzter Apfelbaum blieb als einziges Relikt des ehemaligen Betriebshofes bis heute erhalten.

Für die Omnibusse der Kraftwagengesellschaft Ruhr-Wupper mbH wurde nach dem Krieg ein neuer Betriebshof an der Engelbertstraße in Hattingen gebaut.