Die Grundausstattung der für den Betrieb der Hattinger Kreisbahnen notwendigen Straßenbahnwagen wurde von der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG beschafft. Sie erhielten die Betriebsnummern 242 bis 251. In den Büchern des Landkreises Hattingen wurden sie mit den Nummern 1 bis 10 bezeichnet.
Die Fahrzeuge wurden von der Actien-Gesellschaft Düsseldorfer Eisenbahnbedarf (vormals Weyer & Co.) geliefert. Wichtige Impulse für das äußere Erscheinungsbild des Fahrgastraums gaben die zwei Jahre zuvor von der Waggonfabrik Herbrand an die Essener Straßenbahn gelieferten Neubautriebwagen. Diese hatten gleichwohl noch offene Plattformen.
Der neue Wagentyp entwickelte sich bei der BOGESTRA zum Standardwagen der 1920er-Jahre. Bis 1926 wurden 128 Fahrzeuge gebaut. Als Hersteller kamen bereits 1912 die Waggon-Fabrik A. G. in Uerdingen und ab 1916 die Dortmunder Union hinzu. Ab 1922 wurde der Fahrzeugtyp mit weiteren technischen Verbesserungen von der Mainzer Waggonfabrik Gastell an die BOGESTRA geliefert. Je nach Hersteller gab es Varianten bei den Fahrwerken sowie bei der elektrischen Ausrüstung.
Die für den Landkreis Hattingen beschafften Fahrzeuge mit den Betriebsnummern 242 bis 251 waren mit einem verstärkten Fahrwerk, einer besseren Federung und kräftigeren Motoren des Typs DU 531 e der Siemens-Schuckertwerke (SSW) mit 37 Kilowatt Leistung ausgerüstet. Die Steuerung erfolgte über Siemens Schleifring-Fahrschalter des Typs OW. Eine technische Innovation im BOGESTRA-Wagenpark waren die elektromagnetischen Schienenbremsen. Sie wurden auf Wunsch der technischen Aufsichtsbehörde eingebaut, um die Sicherheit auf den steigungsreichen Hattinger Streckenabschnitten zu erhöhen.
Die Wagenkästen der 9,6 Meter langen und zwei Meter breiten Fahrzeuge waren nach neuesten Erkenntnissen konstruiert. Sie 22 Fahrgästen Sitzplätze, die in Abteilform angeordnet waren. Außerdem standen 44 Stehplätze zur Verfügung.
Mit dem Bau der Triebwagen 242 bis 251 wurde 1912 begonnen. 1913 erfolgte die Auslieferung. Die Inbetriebsetzung zog sich bis in das Jahr 1914. Auf dem Beitragsbild sehen wir Triebwagen 242 in den ersten Betriebstagen an der Endstelle in Blankenstein (Unbekannter Postkartenverlag – Sammlung Peter Grothe – Sammlung Heimatverein Blankenstein e.V.).
Der zuletzt gelieferte Triebwagen 251 wurde 1913 auf dem Werksgelände der Actien-Gesellschaft Düsseldorfer Eisenbahnbedarf (vormals Weyer & Co.) fotografiert (Sammlung Emil Konrad – Sammlung Ludwig Schönefeld):
IM EIGENBETRIEB
Im Zusammenhang mit der Übernahme der Betriebsführung durch den Landkreis Hattingen am 1. Januar 1920 waren von den zehn Triebwagen der Erstausstattung nur acht Triebwagen betriebsfähig. Der am 1. Dezember 1915 in der Ausweiche Hüttenau entgleiste Triebwagen 246 stand ebenso wie der am 3. Februar 1917 in der Hattinger Innenstadt verunglückte Triebwagen 248 nicht zur Verfügung. Eine Reparatur war während des Ersten Weltkriegs aufgrund des Personalmangels nicht möglich.
Das anfangs zweifarbige Erscheinungsbild wurde im Laufe des Jahres 1920 durch eine einfarbige Lackierung abgelöst. An den Längsträgern des Wagenkastens wurde der Schriftzug „HATTINGER – KREISBAHNEN“ angebracht. Die Wagennummern wurden sowohl an der Seite als auch über den Stirnfenstern angeschrieben.
Im Interesse der Verkehrssicherheit erhielten alle Triebwagen der Hattinger Kreisbahnen später auch einen umlaufenden Unterfahrschutz. Bei der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG waren nur wenige Trieb- und Beiwagen entsprechend ausgestattet.
UNKLARE QUELLENLAGE
Unterschiedliche Angaben gibt es in der Literatur darüber, wie viele Triebwagen aus der Erstausstattung bei den Hattinger Kreisbahnen im Betriebsdienst blieben. Die Autoren älterer Veröffentlichungen gingen davon aus, dass die Triebwagen 246 und 248 letztlich doch repariert wurden und somit die gesamte Serie unter den Hattinger Betriebsnummern 1 bis 10 im Einsatz stand. Der Triebwagen mit der Nummer 10 soll 1926/27 bei einem weiteren, in der Tagespresse jedoch nicht dokumentierten Unfall einen Totalschaden erlitten haben. Ebenso wie der Triebwagen 9, für den 1927 ein neuer Wagenkasten bei der Waggonfabrik Gastell beschafft wurde.
Denkbar ist aber auch eine aktuelle Interpretation, nach der für den Triebwagen 9 ein Fahrwerk der 1915 / 1917 verunfallten Wagen verwendet worden sein soll. Nach dieser Darstellung hätte es bei den Hattinger Kreisbahnen nach einer Umnummerierung der Triebwagen 242 bis 245, 247 sowie 249 bis 250 anfangs nur die Triebwagen 1 bis 8 gegeben, während vom Triebwagen 246 nur das Fahrgestell erhalten blieb und der Torso von Triebwagen 248 im Hattinger Betriebshof als Ersatzteilspender gedient haben soll.
Belegt ist in einer Anlage zu einem im Februar 1932 zusammengestellten Gutachten zum Wert der Hattinger Kreisbahnen ein Bestand von acht Triebwagen sowie ein Abgang von zwei Triebwagen aus dem Bestand von 1914.
MIT NEUEM WAGENKASTEN
Die Triebwagen 9 und 10 waren 1926/27 in einen Unfall verwickelt. Da über diesen in den Tageszeitungen nicht berichtet wurde, handelte es sich möglicherweise um einen Rangierunfall auf dem Betriebsgelände. Das Fahrwerk von Triebwagen 9 wurde 1927 bei der Waggonfabrik Gastell mit einem neuen Aufbau ausgestattet. Dieser entsprach dem nachfolgend beschriebenen Neubau-Triebwagen 10 (II). 1937 gelangte Triebwagen 9 zur BOGESTRA, die ihn zunächst als Triebwagen 242 (II) und ab 1951 unter der Nummer 141 (II) in Witten einsetzte. Am 25. November 1963 wurde er zum Arbeitswagen 641 umgezeichnet. Er stand noch bis zum Juli 1970 im Einsatz.
KLEINSERIEN
Als Ergänzung zu den aus Bochum übernommenen Triebwagen beschafften die Hattinger Kreisbahnen in den Jahren 1927 und 1928 jeweils zwei neue Triebwagen. Sie wurden von der Waggonfabrik Gastell in Mainz gebaut und unter den Wagennummern 10 (II) und 11 sowie 41 und 42 in den Wagenpark eingereiht.
Die 1927 gelieferten Triebwagen 10 und 11 wurden von der Waggonfabrik Gastell in Mainz gebaut. Sie entsprachen bis auf das Tonnendach und den für diese Fahrzeuge charakteristischen Blechzwickel zwischen Trittstufen und mittlerem Wagenkasten den Fahrzeugen, die die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen 1922 bei der Waggonfabrik Gastell bestellt hatte. Die 1928 ausgelieferten Triebwagen 41 und 42 erhielten abweichend von allen zuvor für die Hattinger Kreisbahnen gelieferten Fahrzeugen ein Schleppdach.
Im Fahrgastraum der neuen Fahrzeuge standen 22 Sitz- und drei Stehplätze sowie weitere 20 Stehplätze auf den Plattformen zur Verfügung. Die beiden, im Abstand von 3,2 Metern angeordneten Achsen wurden bei den Wagen 10 und 11 von Motoren des SSW-Typs Ds 531 e, bei den Wagen 41 und 42 von Bergmann-Motoren des Typs SL 50 m angetrieben. Als Fahrschalter fand der Typ OF 5 Verwendung.
VERKAUF NACH SAARBRÜCKEN
Nach der Verpachtung der Hattinger Kreisbahnen an die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG im September 1933 wurden die Hattinger Triebwagen zunächst abgestellt. Sie standen jetzt im Eigentum des Ennepe-Ruhr-Kreises, der 1929 aus dem Landkreis Hattingen hervorgegangen war.
Als sich der Kreis 1937 von den Hattinger Kreisbahnen trennte, wurde der Fahrzeugpark zum Verkauf angeboten. Die Triebwagen 1 bis 8 aus der 1913 gelieferten Serie fanden in Saarbrücken eine neue Heimat. Dort wurden die „Hattinger“ von der Waggonfabrik de Dietrich technisch ertüchtigt und umgebaut. Sie erhielten neue Fronten und ein Schleppdach. Allein der umlaufende Unterfahrschutz wies später noch auf die Hattinger Vergangenheit hin. Vier Fahrzeuge gingen im Zweiten Weltkrieg verloren. Die übrigen Triebwagen waren noch bis in die 1960er-Jahre in Saarbrücken im Einsatz.
EINSATZENDE BEI DER BOGESTRA
Der neu aufgebaute Triebwagen 9 gelangte 1937 zur BOGESTRA, die ihn zunächst als Triebwagen 242 (II) und ab 1951 unter der Nummer 141 (II) in Witten einsetzte. Am 25. November 1963 wurde er zum Arbeitswagen 641 umgezeichnet. Er stand noch bis zum Juli 1970 im Einsatz.
Auch die 1927 und 1928 gelieferten Triebwagen 10 und 11 sowie 41 und 42 konnten 1937 an die BOGESTRA verkauft werden. Sie wurden unter den Nummer 497 bis 500 in den Wagenpark eingereiht. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Bergmann-Motore der Triebwagen 499 und 500 gegen Motore des Typs Du 531 e ausgewechselt. 1951 erfolgte dann entsprechend den Motorentypen die Umnummerierung in die Wagennummern 159 und 160 sowie 148 und 149. Triebwagen 160 wurde 1953 einer Grundüberholung unterzogen. Er erhielt dabei einen neuen Aufbau, neue Motoren und Fahrschalter. Die übrigen Triebwagen wurden bis 1963 ausgemustert. Triebwagen 160 wurde bis Oktober 1968 eingesetzt und dann als Studienobjekt an die Ruhr-Universität verkauft. Im Dezember 1970 wurde das Fahrzeug als letzter Triebwagen der Hattinger Kreisbahnen verschrottet.
BEIWAGEN
Zu den 1927 und 1928 gekauften Triebwagen beschafften die Hattinger Kreisbahnen bei der Waggonfabrik Gastell auch vier Beiwagen. Zwei Fahrzeuge wurden 1927, zwei weitere 1928 geliefert. Sie entsprachen der Musterzeichnung der 1925 von der Waggonfabrik Gastell für die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG gelieferten Beiwagen 325 bis 344.
Mit der Übernahme der Hattinger Kreisbahnen gelangten die vier Beiwagen 1937 zur BOGESTRA, wo sie die Nummern 300 bis 303 erhielten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie mehrmals neu nummeriert, bis sie 1951 endgültig die Betriebsnummern 362 bis 365 erhielten. Bis zum Oktober 1961 wurden sie ausgemustert.
ARBEITSFAHRZEUGE
Zum Betriebsbestand der Hattinger Kreisbahnen gehörten neben Trieb- und Beiwagen für den Personenverkehr auch drei offene Loren. Sie wurden im Wertgutachten aus dem Jahr 1932 als „schrottreif“ klassifiziert. Dennoch gelangten sie unter den Nummern 450, 490 und 491 in den Bestand der BOGESTRA. In der Wagenparkliste vom 1. Januar 1943 waren sie gleichwohl nicht mehr vorhanden.