Großraumwagen in Hattingen – gab es das wirklich? – Tatsächlich gab es das, wenn auch nur im Rahmen einer 1952 durchgeführten Probefahrt.
Der von der Düsseldorfer Waggonfabrik (Düwag) entwickelte vierachsige Straßenbahnwagen sollte den öffentlichen Personennahverkehr im Nachkriegsdeutschland modernisieren. Am 28. April 1951 wurde der erste, in Normalspur ausgelieferte Prototyp in Hannover in Betrieb genommen. Den ersten meterspurigen Großraumwagen erhielt die Essener Verkehrs AG. 1952 wurden die ersten zwei Triebwagen unter den Nummern 200 und 201 an die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG ausgeliefert.
TESTFAHRTEN IM RUHRTAL
Neue Fahrzeuge wurden von der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG gerne bei einem Ausflug in das Ruhrtal ausgiebig getestet. Die Teststrecke begann an der Werkstatt in Weitmar oder am Betriebshof in Wiemelhausen. Sie führte dann hinauf über die Route der Linie 5/15 nach Stiepel. Über die Kosterstraße wurde das Ruhrtal erreicht. Auf diesem Streckenstück konnten insbesondere die Bremsen ihre Leistung unter Beweis stellen.
Der weitere Verlauf der Probefahrt des Großraumwagens – vermutlich mit dem Triebwagen 200 – führte an der Henrichshütte entlang in die Hüttenstraße. Dort entstand im Bereich der früheren Einfahrt zum Betriebshof der Hattinger Kreisbahnen für die Stadt Hattingen das hier als Beitragsbild gezeigte Foto (Stadtarchiv Hattingen).
Über die Heggerstraße, das enge Gelinde und die Weilstraße fuhr der Großraumwagen weiter über die Strecke der Linie 8 in Richtung Bochum. Im Verlauf der langen Steigungsstrecke zwischen der Ruhrbrücke in Baak und Bochum-Linden konnten die Motoren zeigen, was in ihnen steckte.
KEIN RAUM FÜR SCHLEIFEN
Ein planmäßiger Einsatz von Großraumwagen im Hattinger Straßenbahnnetz hätte umfangreiche Umbauten erfordert. Die nur für den Einrichtungsbetrieb konzipierten Fahrzeuge benötigten an den Endstellen Wendeschleifen oder zumindest ein Gleisdreieck. Für beides war Anfang der 1950er-Jahre in Hattingen kein Platz. Eine im Sommer 1955 diskutierte Idee, im Zusammenhang mit dem Bau eines Busbahnhofs an der August-Bebel-Straße auch eine neue, als Wendeschleife ausgeführte Endstelle für die Linie 8 anzulegen, wurde verworfen. Die nachfolgend gezeigte, am 12. Juli 1955 im Hattinger Morgen veröffentlichte und leider nur in schlechter Qualität erhaltene Planskizze blieb Makulatur.
So kamen die modernen Triebwagen ab 1952 auf der Linie 2 zwischen der neu angelegten Wendeschleife an der Königswiese in Gelsenkirchen-Buer und dem Bochumer Hauptbahnhof in Bochum zum Einsatz. Da anfangs keine weitere Strecke für den Einrichtungsverkehr zur Verfügung stand, wurde die Liniennummer bei Probefahrten auf anderen Strecken nicht gewechselt – so auch bei der Probefahrt in Hattingen als „Sonderwagen“.
Bis 1954 folgten den zwei Prototypen insgesamt 14 Serienwagen. Sie wurden zwischen 1960 und 1964 zu sechsachsigen Gelenkwagen umgebaut und waren in dieser Form bis 1977 im Einsatz. Die A-Teile der Triebwagen 205 und 212 wurden 1978 zum Bau des Partywagens 77 „BOGIE“ verwendet. Dieser konnte als Zweirichtungsfahrzeug auch für Fahrten nach Hattingen gebucht werden. Nach der letzten Fahrt am 28. Juni 1986 fand „BOGIE“ eine neue Heimat im Emschertalmuseum Wanne-Eickel.