KEINE CHANCE

In den 1960er-Jahren hatte die Straßenbahn im Ruhrgebiet keine Lobby. Vielerorts wurden Straßenbahnstrecken stillgelegt und durch Omnibuslinien ersetzt. Für den zunehmenden Individualverkehr wurden die Straßen ausgebaut. An vielen Stellen – so auch in Hattingen – wurde die historische Bausubstanz geopfert, um Platz für neue Verkehrsadern zu schaffen.

Bewusst oder unbewusst – die hier als Beitragsbild gezeigte, 1961 vom Essener Verlag Heinrich Koch verlegte Mehrbild-Postkarte (Sammlung Ludwig Schönefeld) zeigt zwar die Strecken der Straßenbahn, aber nicht die aus Sicht der Fotografen vermutlich altertümlichen Straßenbahnwagen.

Im Rat und in der Verwaltung der Stadt Hattingen mehrten sich ab Mitte der 1960er-Jahre die Stimmen, die eine Einstellung der Straßenbahnlinie nach Blankenstein forderten. Sie argumentierten mit der zunehmenden Verkehrsdichte in den engen, unübersichtlichen und zudem auch topographisch schwierigen Ortsdurchfahrten in Hattingen und Blankenstein. Ein weiteres Argument war die Unfallgefahr durch Gegenverkehr auf dem in weiten Teilen eingleisig in Seitenlage geführten Streckenabschnitt zwischen der Hüttenstraße und Blankenstein.

Die historische Bilderfolge aus der Sammlung des Heimatvereins Hattingen macht – auch ganz ohne Straßenbahn – deutlich, warum die Streckenführung insbesondere in der Hattinger Innenstadt so problematisch war.

Im Verlauf des Jahres 1968 wurden das Vorhaben, die Straßenbahn einzustellen, konkreter. Grund dafür war auch die Hoffnung auf den Neubau einer Stadtbahnstrecke, die vom Bahnhof zunächst parallel zur Bundesstraße B 51 bis zur heutigen Endstelle Hattingen Mitte und von dort um den Ortskern herum bis zur Henrichshütte geführt werden sollte.

Im Oktober 1968 suggerierte die Lokalausgabe der Ruhr Nachrichten, die Einstellung der Straßenbahn sein ein alter Wunsch der Bürger. Die Bochum-Gelsenkirchener Strassenbahnen AG sah dies gleichwohl nicht so. Sie bestand auf ihr vertragliches Recht, die Straßenbahn in Hattingen noch bis in das Jahr 1972 zu betreiben: Für den Verkehrsbetrieb war dies ein gewichtiges Argument, da 1968 keine Klarheit darüber Bestand, welcher Verkehrsbetrieb die geplanten Stadtbahnstrecke betreiben würde.

Die Gespräche wurden auch im folgenden Jahr fortgeführt. Am 26. April 1969 konnte die Westdeutsche Allgemeine Zeitung schließlich vermelden, dass der Kampf der Hattinger Stadtverwaltung um die Umstellung des Straßenbahnbetriebes auf Omnibusverkehr nach langem und zähem Ringen seinem Ende entgegenginge.

Tatsächlich gab die BOGESTRA nach. Nachdem der Beschluss zur Einstellung im Hattinger Stadtrat gefallen war, stimmte zuletzt am 4. Juni 1969 auch der Rat der Stadt Blankenstein der Einstellung der Straßenbahn zu. Damit war der Weg für die Umstellung von der Bahn auf den Bus zum Fahrplanwechsel 1969 frei.

Der Stadt Hattingen eröffnete die Einstellung des Straßenbahnverkehrs in der Innenstadt den Umbau der Heggerstraße zu einer verkehrsfreien Fußgängerzone.

In den folgenden Jahren opferte man dem Stadtumbau weitere Teile der historischen Bausubstanz. Vor allem für das 1976 eröffnete Warenhaus und den zeitgleich in unmittelbarer Nachbarschaft angelegten Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) mussten zahlreiche historische Gebäude weichen.

Auch für die nie verwirklichte Stadtbahnstrecke von Hattingen Mitte zur Henrichshütte wurden Immobilien aufgekauft. Aus heutiger Sicht hätten sich der Denkmalschutz und die Bürgerschaft vermutlich dafür eingesetzt, das eine oder andere Gebäude unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten zu sanieren und für die Nachwelt zu erhalten.

  • Auf der Großen Weilstraße müssen Fußgänger die Straße mitbenutzen.
    Sammlung IBV - Sammlung Heimatverein Hattingen/Ruhr e.V.