SCHWARZE TAGE

Nach dem Erfolg der neuen Strecke im ersten Jahr überschattete schon bald ein schwerer Unfall den Straßenbahnbetrieb.

Am 1. Dezember 1915 entgleiste gegen 20 Uhr auf der Strecke von Blankensteiner nach Hattingen der voll besetzte Straßenbahnwagen 246. Der Unfall ereignete sich an der Ausweiche Hüttenau zwischen der Gastwirtschaft Hagebusch und dem Gemeindegasthaus.

13 Menschen wurden in den Unfall involviert: Der Wagenführer und die Schaffnerin sowie elf Fahrgäste. Die verletzten Fahrgäste wurden von Straßenpassanten und Nachbarn versorgt. Die aus Blankenstein herbeigeeilten Sanitäter brachten zehn Insassen der Straßenbahn in die lokalen Krankenhäuser. Ein Fahrgast verstarb vermutlich noch am Unfalltag im Blankensteiner Krankenhaus. Nur drei Fahrgäste blieben unverletzt.

ÜBERREGIONALE BEACHTUNG

Der Vorfall fand überregional Beachtung. Am 2. Dezember veröffentlichte die Dortmunder Zeitung einen ersten Bericht. Darin wurde der Unfallhergang geschildert: Der aus dem Gleis geratende Triebwagen soll zunächst einige Wegebäume und einen Straßenbahnmast umgerissen haben. Dann drehte er sich und legte sich quer über die Straße.

Die von der Zeitung befragten Zeugen führten den Unfall auf ein Versagen der Bremsen bei nassem Wetter zurück. Schon bald richteten sich Verdachtsmomente aber auch gegen den Wagenführer der Straßenbahn. Er war erst seit drei Wochen im Dienst.

Zwei Tage später widmete die Dortmunder Zeitung dem Unfall einen weiteren, deutlich dramatischer formulierten Bericht:

„Nach der Entgleisung des Motorwagens der elektrischen Straßenbahn Hattingen – Blankenstein am Mittwoch abend, entstand unter den Insassen des Wagens, soweit sie noch denken konnten, eine furchtbare Erregung, die in der herrschenden Dunkelheit noch vermehrt wurde. Der Führer des auf die Seite gefallenen Wagens lag wie leblos da und ebenso schien die Schaffnerin schwer verletzt zu sein. Ein in der Nachbarschaft auf Urlaub weilender Krieger befreite die Eingeschlossenen aus ihrer Gefangenschaft.“

Von den neun Verletzten waren am 3. Dezember der Wagenführer Lautner aus Hattingen, der Soldat Koch aus Blankenstein und der Amtsbürogehilfe Schnellenbach aus Sprockhövel weiterhin im Krankenhaus. Sechs Fahrgäste konnten der häuslichen Pflege übergeben werden.

Inwieweit die Unfallursache später geklärt werden konnte, ist in historischen Zeitungsberichten nicht dokumentiert. Der Triebwagenführer stand unter Schock und konnte sich zum Unfallhergang in den ersten Tagen nicht äussern. Das verleitete den Journalisten der Dortmunder Zeitung zu einer in Anbetracht der Umstände eher unangebrachten, spöttischen Anmerkung: „Der Wagenführer hat die Sprache verloren!“

  • Der erste Bericht der "Dortmunder Zeitung" schildert den Unfallhergang vergleichsweise neutral.
    Dortmunder Zeitung - 2. Dezember 1915

Am 2. Dezember wurde die Unfallstelle geräumt. Zuvor dokumentierte die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG die Situation mit dem hier als Beitragsbild gezeigten Foto (Sammlung Reinhard Schulz). Am Abend war die Strecke wieder betriebsbereit.

AUSSER KONTROLLE

Ein zweiter schwerer Unfall ereignete sich am 3. Februar 1917 gegen 14.30 Uhr in der Hattinger Innenstadt. Eine im Betriebshof bereitgestellte Garnitur aus Triebwagen 248 und Beiwagen 368 setzte sich an diesem Samstag aufgrund einer versehentlichen Fehlbedienung des Hauptschalters durch eine Angestellte der Straßenbahn auf der abschüssigen Ausfahrt des Betriebshofs in Bewegung. Auf der abschüssigen Hüttenstraße gewann das Gespann schnell an Tempo, passierte dann die Heggerstraße und den Untermarkt. Zum Stillstand kam der Geisterzug schließlich zwischen den Häusern im Gelinde, nachdem der Beiwagen in Höhe des Untermarktes entgleist war und dadurch vermutlich den Triebwagen bremste, bevor dieser auf die Fassade des Bäumerschen Hauses an der Ecke Gelinde / Untermarkt traf. Nach dem ausführlichen Bericht des Linden-Dahlhauser Tagblatts vom 5. Februar glich das Gelinde einer Trümmerstätte. Die Frontseite des Bäumerschen Hauses wurde so übel zugerichtet, dass Wohnstube, Küche und Keller offenlagen.

Wie durch ein Wunder wurden bei dem Unfall weder Passanten noch die Bewohner des Bäumerschen Hauses verletzt. Die Angestellte der Straßenbahn konnte sich durch einen glücklichen Absprung retten. Die Beschädigungen am Triebwagen 248 hingegen waren erheblich: Als Wagen war er kaum wiederzuerkennen, schreibt der Chronist der Zeitung, fehlte ihm doch das ganze Dach samt dem Bügel und ebenso die ganze linke Seitenwandung. Zum größten Teil steckten sie im Bäumerschen Hause, während der Wagen dagegen außer den gebrochenen Hausbalken, Schieferbekleidungen und Fensterrahmen einen Teil des Bäumerschen Haus- und Kücheninventars barg.